Castan’s Panopticum und Passage Panoptikum, Berlin.
Eine Rekonstruktion aus Programm, Literatur und Wissenschaft.

Zusammengetragen, kommentiert und herausgegeben von Angelika Friederici, Verlag Karl-Robert Schütze, Berlin 2024. Der fest gebundene Textband erscheint im 2. Quartal 2024.

Castan’s Panopticum war das letzte wächserne Porträtkabinett und das erste Panoptikum, das in Europa entstand: das älteste und respektabelste Panoptikum auf europäischem Boden. Ein Panoptikum war eine stationäre Allesschau, die im Überschneidungsbereich von Schaugewerbe, Kunsthandwerk, Wissenschaft und Museum sammelte, fertigte und ausstellte. Es gehörte – im Gegensatz zu den nachfolgenden, technisch gründenden Aufzeichnungsmedien wie Fotographie, Film oder Radio – sowohl zu den authentischen als auch zu den im Kunsthandwerk gründenden frühen Wiedergabemedien. Castan’s Panopticum, aktiv zwischen 1869 und 1923, expandierte europaweit dank stationärer sowie temporärer Filialen und erschuf zahllosen Konkurrenten und Nachahmern deren Existenzgrundlage, zu denen auch das 1888 gegründete Berliner Passage Panoptikum gehörte.

Im Baedeker erwähnt und in Meyers Konversationslexikon aufgenommen, widmeten sich neben der redaktionellen Tagespresse und vielen nichtbekannt gewordenen Gästen auch Berlinliteraten und Künstler den Berliner Panoptika, u.a. Arthur Eloesser, Hans Fallada, Theodor Fontane, Julius Freund, George Grosz, Victor Happrich, Otto Erich Hartleben, Friedrich Hollaender, Victor Hollaender, Erich Kästner, Egon Erwin Kisch, Siegfried Kracauer, Karl Kraus, Gustav Landauer, Paul Lindenberg, Walter Mehring, Hermann Waldemar Otto, Ludwig Pietsch, Willy Prager, Joseph Roth, Paul Schlesinger, Julius Stettenheim, Julius Stinde, Walter Trier, Johannes Trojan, Claire Waldoff, Erich Weinert. Zeitgenössische Wissenschaftler und Philosophen berichteten, so Franz Boas, Otto Finsch, Felix von Luschan, Otto Schellong, Julius von Schlosser, Eduard Spranger, Robert Springer, Edwin Redslob oder Rudolf Virchow. Auch Reisende wie Adrian Jacobsen, Charles Huard, Lenin, Karl May oder Marie von Olfers verarbeiteten ihre in einem Berliner Panoptikum erhaltenen Anregungen.

Dieser Dokumentationsband ist gedacht als literarischer Gedächtnisort, nachdem die noch immer eindrückliche originale Wachs- und Gipssammlung 2015 verkauft und damit musealer Nutzung endgültig entzogen wurde. Er präsentiert Texte verschiedener Zeithorizonte und macht sie konzentriert nutzbar. Mit diesem Band des monographisch behandelten Themas möchte die Autorin und Herausgeberin den gebührenden Platz der Berliner Pionierunternehmer Gustav und Louis Castan in der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte ihrer Zeit wiederherstellen. Das mit einem von deren Hand geschaffene Selbstporträt-Doppelrelief illustrierte Buch wird eröffnet mit einer Vorstellung und Würdigung der Lebensleistung beider Bildhauer. Die darauf folgenden chronologisch aufgeführten Texte werden im Anschluss durch die Herausgeberin thesenartig strukturiert und in einen Kontext zueinander gestellt, der die seit 2020 gedruckt vorliegende kulturwissenschaftliche und mediale Einbindung der Panoptika bodenständig vervollständigt. Einige Textzitate werden näher erläutert, alle werden bibliographisch nachgewiesen und durch ein Schlagwort-, Orts- und Namensregister erschlossen.